Monsters of Göttingen, 28.Juni 2013
Göttingen hat eine neue Partei und mit ihr gleich mehrere Mitglieder, die rechtem Gedankengut verdächtig nahe stehen: Die Alternative für Deutschland hat in der vergangenen Woche ihren Göttinger Kreisvorstand vorgestellt. Wir haben den Politikwissenschaftler David Bebnowski vom Institut für Demokratieforschung gefragt, warum die Anti-Euro-Partei so attraktiv für Rechte ist.
MoG: Die Alternative für Deutschland macht kurz nach der Gründung ihres Göttinger Kreisverbandes negative Schlagzeilen: Einem Vorstandsmitglied wird vorgeworfen mit einem Hitlergruß provoziert zu haben, ein anderes sympathisiert mit der völkischen „Identitären Bewegung“. Hat sie das überrascht?
David Bebnowski: Mich hat beides in der offensiven Plumpheit, mit der man dort konfrontiert war, schon überrascht. Der Hitlergruß war natürlich auch ein gutes Stück weit schockierend. Dass es Anhänger rechter und extrem rechter Positionen in der Partei gibt, überrascht mich hingegen nicht. Das war sehr schnell deutlich, etwa schon durch die Unterstützung von Organisationen, die den Heimatvertriebenverbänden sehr nahe stehen.
Mich überrascht aber wiederum, dass diese Dinge, obwohl sie im Grunde bei den beiden betreffenden Mitgliedern sofort zu erkennen waren, offensichtlich dem Parteieintritt und der Übernahme von Führungspositionen nicht im geringsten im Wege gestanden haben. Dabei war es Anspruch der Parteiführung, die Vergangenheit potentieller Mitglieder zu durchleuchten. Hier sieht man nun, dass dies nicht gelingt oder nur unzureichend ausgeführt wird – obwohl die NPD die AfD als Türöffner für ihre Positionen sieht und zum Unterwandern aufruft.
Sie ist vor allem deshalb attraktiv, weil die wirtschaftliche Lage es ermöglicht, das Bild vom makellosen fleißigen Deutschen zu zeichnen, der nun angeblich als Zahlmeister Europas herhalten muss. Dort wird ein Überlegenheitsgedanke durch die im Vergleich mit anderen europäischen Staaten relativ positive wirtschaftliche Lage in der Krise mit dem Ressentiment gegen wirtschaftlich weniger potente vor allem südeuropäische Menschen verkoppelt. Es ist kein Zufall, dass es Wirtschaftsfachleute sind, die die Partei anführen. Alles sind Bestandteile, die wir in der Krise seit Jahren kennen.
Hinzu kommen restaurative Symbole wie die D-Mark oder das Bewusstsein, sich in Deutschland durch die Agenda 2010 angeblich gesund umstrukturiert zu haben. Das wird nun inbrünstig von den anderen Staaten verlangt. Auf diese Art und Weise kann man sich auf verschiedenen Ebenen als Vorbild konstruieren und sich gönnerhaft gegenüber anderen Staaten präsentieren, nach dem Motto, ‘Ach, ihr mit eurer kleinen Volkswirtschaft, es ist doch klar, dass ihr mit uns nicht mithalten könnt, deswegen verlasst zu eurem besten am liebsten schnell den Währungsraum.’ Es wird ja gönnerhaft mit einer solchen subtilen Solidaritätsfigur argumentiert.
Im Kreisvorstand sind aber auch zwei ehemalige Mitglieder der Linkspartei. Wie passt das zusammen?
Das ist ein ganz normaler Prozess bei Parteigründungen. Gerade wenn sich eine Kraft als nicht rechts oder links stehend konstruieren will, zieht sie immer Menschen aus allen Spektren an. Zur Zeit klärt sich, wer inwiefern die Linie bestimmen wird.
Natürlich muss man aber auch sagen, dass es auch in der Linken Anhänger und sicher auch Mitglieder gibt, die den Eurorettungskurs nicht mittragen wollen. In der letzten Zeit wird dies ja auch von Lafontaine und Wagenknecht durch einige Wortmeldungen bedient.
Es ist ja aber ein Unterschied, ob man die den Krisenstaaten verordneten Sparmaßnahmen kritisiert, oder diesen Ländern die Solidarität entzieht.
Absolut. Aber hier muss man etwas genauer sein. Denn es ist ja so, dass die AfD ebenfalls die Sparmaßnahmen kritisiert. Nur gilt bei ihr eben der vorgegebene Pfad der wirtschaftlich Erfolgreicheren als Heilsversprechen. Da sich die Sparmaßnahmen in Deutschland, Österreich und anderen Staaten des etwa von Hans-Olaf Henkel beschworenen „Nord-Euros“ in den reinen Kennzahlen, etwa Wirtschaftswachstum und Arbeitlosenquote, sogar positiv ausnehmen, soll daran auch festgehalten werden. Die südeuropäischen Volkswirtschaften müssen aus der Sicht der AfD auf breiter Basis umgebaut werden, was aber durch den Währungsverbund unmöglich ist. Deshalb, und hier kommen wir dann zur Solidarität, ist es aus Sicht der AfD dann geboten, dass andere Länder aus der Währungszone ausscheiden „dürfen“.
Diese „Erlaubnis“ hätte mit Solidarität unter den Euro-Staaten ja aber herzlich wenig zu tun…
De facto ist das natürlich ein Aufkündigen der Solidarität, weil man auf das Recht des Stärkeren abstellt und das mit der Maßgabe verknüpft, wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht. Verschwiegen wird dabei, dass man sich mit einem solchen Manöver ebenfalls extrem in die inneren Angelegenheiten eines Landes einmischen würde. Wobei die Folgen eines solchen Schrittes ja wirklich von den allermeisten Wirtschaftsfachleuten als unkalkulierbar eingeschätzt werden. Und ja, das ist natürlich etwas anderes als das, was auf der Linken gefordert wird. Allerdings hilft der alleinige Verweis auf die Lager kaum weiter, sondern man muss sich die Argumentationsstruktur genauer anschauen, weil die AfD eben auch Vokabeln wie Solidarität für sich in Anspruch nimmt. Ansonsten argumentiert man an der Partei vorbei.
Es scheint eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis in Deutschland eine rechtspopulistische Partei an Stärke gewinnt. Diese Befürchtung gab es unter anderem nach den rassistischen Aussagen Sarrazins. Trauen Sie der AfD mittelfristig zu, erfolgreich zu sein?
Ich möchte hier keine Prognose für oder gegen die AfD abgeben, sondern ein bisschen allgemeiner auf die Frage nach der rechtspopulistischen Partei eingehen. Verständlicherweise ist das natürlich die Frage, auf die man immer wieder zurückkommt. In der Tat wäre es töricht, so etwas ausschließen.
Allerdings wartet man in Deutschland doch irgendwie bemerkenswert lange darauf. Der österreichische Kolumnist Robert Misik hat hierzu, übrigens am Beispiel der AfD, neulich geschrieben: Er sei seit den 1990er Jahren immer wieder danach gefragt worden, wie das mit Jörg Haider in Österreich sein würde, ob so etwas in Deutschland zu erwarten sei. Seine Antwort war, dass er während der Zeit viele „deutsche Haiders“ hat kommen und gehen sehen. Anders gesagt, die Deutschen sollten ihre Perspektive schärfen.
Und irgendwie beschreibt dies die heutige Situation aus zwei Gründen ganz gut. Denn erstens haben unsere Untersuchungen, die wir im letzten Jahr zu Eurokritikern durchgeführt haben, gezeigt, dass es dort eine erhebliche Konkurrenz um die Anhänger gibt. Auch das trägt dazu bei, dass die einende große Kraft bislang ausbleibt. Nicht, dass ich falsch verstanden werde, das ist bestenfalls eine Teilentwarnung. Einerseits wird der Zusammenschluss so erschwert: Auch die AfD musste sich gründen, weil es Streitigkeiten mit den Freien Wählern gab. Andererseits, und dies ist der eigentliche Befund, wir haben es viel eher mit einem Über- als mit einem Unterangebot an rechtspopulistischen Kräften zu tun. Dieser Aspekt ist im Grunde genommen noch gar nicht bis in die Medien vorgedrungen. Allein wenn man nur auf ganz rechts außen schaut, kann man sich doch mit einiger Berechtigung fragen, warum es gleichzeitig die Pro-Bewegungen, Die Rechte und die NPD gibt – oder etwa nicht?
Und der zweite Grund?
Die Frage ist: Worüber reden wir hier eigentlich? Während man in Deutschland mit fasziniertem Ekel auf den großen Rechtspopulisten irgendwo zwischen Franz-Josef Strauß und Thilo Sarrazin wartete, konnte ungestört der Nationalsozialistische Untergrund morden, ohne dass den Strafverfolgungsbehörden überhaupt nur in den Sinn gekommen wäre, dass dort ein rassistisches Motiv im Spiel sein könnte! Insofern frage ich mich, was die Existenz einer solchen Partei überhaupt aussagen sollte, ergo, warum man sie sich förmlich herbei schreibt. Der deutsche Fall zeigt doch ziemlich eindrücklich, dass das Fehlen oder die Existenz einer solchen Partei kaum Rückschlüsse darauf zulässt, wie rechtspopulistische bis rechtsextreme Tendenzen in einer Gesellschaft ausagiert werden.
Insofern bin ich skeptisch, was den massenhaften Erfolg einer solchen Partei anbelangt. Ich glaube aber, dass die Fokussierung auf eine rechtspopulistische Kraft entlang der Thesen Thilo Sarrazins nur bescheiden wenig dazu beiträgt, die Realitäten in den Blick zu bekommen.